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Schottische Higland Saga

Wer wollte nicht schon einmal weg, ein anderer Ort, eine andere Zeit, ein anderes Leben. Derartige Sehnsüchte lassen sich oft nur durch ein Buch stillen, vielleicht durch einen Mix aus Lovestory, Abenteuer und Fantasy. Diana Gabaldons Highland-Saga ist ein solches Buch, das als US-Fernsehserie Outlander in schottischen Ruinen in Szene gesetzt wurde. Mit großer Wirkung. An vielen Orten, an denen der historische Held Jamie Fraser und seine Herzdame Claire Randall ihre Gefühle füreinander entdeckten, haben sich in den letzten Monaten die Besucherzahlen verdoppelt.

„Unser“ Jamie heißt Mac. Er kennt die Drehorte, an denen Outlander entstand und obwohl er nur den Bus dorthin fährt, hätte er mit seinem ganzen Habitus glatt die Hauptrolle spielen können. Mac trägt gern den Kilt und verkörpert jene jungen, selbstbewussten Schotten, die mit dem jüngsten Referendum fast die Unabhängigkeit ihres Landes erreicht hätten.

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Dieser sehnliche Wunsch nach Selbstbestimmung zieht sich durch die ganze schottische Geschichte. Ein Stoff, der bestens für literarische und filmische Dramatik taugt. So erwacht die junge Krankenschwester Claire Randall, nachdem sie einige mystische Steine berührt hat, zweihundert Jahre früher im Jahr 1743, mitten im Schlachtgetümmel zwischen katholischen Schotten und protestantischen Engländern.

Auch Mac identifiziert sich leidenschaftlich mit der Geschichte seines Landes und kennt sich bestens aus. Während der Fahrt lässt er historische Fakten auf seine Art lebendig werden. Er hebt die Stimme, flüstert, brüllt und reckt, eine Hand am Steuer, die Faust empor. Dann hält er am Blackness Castle, westlich von Edinburgh am Firth of Forth gelegen.

„Ein Schiff, das niemals Segel setzte“, erzählt Burg-Manager Graeme Sinclair, nachdem er sein Begrüßungs-Potpourri auf dem Dudelsack beendet hat. Wer auf einem langen Steg hinaus bis ans Wasser geht, erkennt zurückblickend, dass die Burgmauern tatsächlich die Umrisse eines gigantischen Schiffes formen. Drinnen im Burghof scheint die Sonne, es ist still. So still, wie Jamie Fraser blieb, als ihm hier durch die Peitsche des finsteren Hauptmann „Black Jack“ Randall der Rücken zerfetzt wurde.

Für einige Szenen brauchte das Filmteam Mondlicht und ließ leuchtende Ballons aufsteigen. „Da riefen die Leute von der anderen Seite der Bucht an und meinten, es seien Aliens auf der Burg“, erinnert sich Sinclair. Im großen Bankett-Saal hallen die Schritte wieder, ein mächtiger Eichentisch lässt die lautstarken Essgelage erahnen.

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Im Hof des Linlithgow Palace, wenige Kilometer südwestlich, spielt die Folk-Band Booragh. Flöte, Mandoline, Gitarre und keltische Trommel erklingen, nur Jamie Fraser steht als lebensgroßer Pappkamerad still daneben. Die Outlander-Serie kurbelte an vielen Orten die Geschäftigkeit an. Es gibt Outlander-Touren, Outlander-Dinner mit historischen Gerichten, umrahmt von Shows mit passender Musik.

Einer der wichtigsten Drehorte war Doune Castle in Perthshire, in der Serie als Castle Leoch bezeichnet und Stammsitz von Jamie Fraser und Familie. Die Burg trug schon viele Filmnamen, in Monty Pythons „Ritter der Kokosnuss“ waren es Swamp Castle und Castle Anthrax, jeweils von einer anderen Seite gefilmt.
Mit galanter Geste fordert Mac zum Eintreten auf.  Und wieder wird deutlich, wie stolz die Schotten auf ihre Geschichte sind. Kinder in Schuluniform wuseln herum. Einige ältere haben sich verkleidet und bringen den Grundschülern aus dem Ort die Schlossgeschichte durch Spielszenen nah.  

„Die Burg wurde nur von außen gefilmt“, erzählt Managerin Catherine Manson. „Doch vor der Burg hatte die Crew ein ganzes Dorf errichtet, so dass wir die Anlage für zwei Monate schließen mussten.“ Allerdings schreibe das schottische Wegerecht den freien Zugang zum Gelände vor und viele Spaziergänger hätten das Filmteam bei ihrer Arbeit beobachtet. „Auch die Autorin kam, um sich das Dorf anzusehen. Inzwischen haben sich die Besucherzahlen auf 100.000 jährlich verdoppelt.“

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Auf der Nordseite des Firth of Forth liegt das pittoreske Dörfchen Cullross mit seinen 400 Einwohnern. Seit viktorianischen Zeiten in Vergessenheit geraten, erinnerte man sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts an etliche bemerkenswerte historische Gebäude. Viele wurden vom National Trust inzwischen aufwändig restauriert.

„Die Filmcrew hat erst einmal einige Häuserfassaden dunkelgrau übermalt, damit sie etwas schäbiger und ‚zeitgemäßer’ aussahen“, erinnert sich Paul Foley vom National Trust. Erst dann passte der Pranger ins Bild, auf dem ein junger Dieb zur Bestrafung mit einem Ohr angenagelt wurde.

Ein Stück die mit Steinen gepflasterte Straße hinunter erstrahlt Cullross Palace in leuchtendem Orange. Hinter dem Haus erstreckt sich ein sehenswerter Kräutergarten, in dem sich entdecken lässt, welche Pflanzen einst zum Kochen oder aber für medizinische Zwecke benutzt wurden. Hier lernte auch Claire von der Kräuterfrau Geillis einiges über Heilkräfte kennen. Damit auch optisch alles stimmte, wurde Castle Leoch im Film per Computer in den Hintergrund gesetzt.

Weiter auf dem Weg nach Norden führt uns Mac nach Falkland im County Fife, wo zwischen den Lomond Hills der Falkland Palace steht, einst die Landresidenz der Stewart-Könige. Auch Mac verbrachte seine Jugend in dem Ort, wenngleich in etwas bescheideneren Häusern. Für Outlander musste der Ort als das Inverness der 1940er Jahre herhalten. Ob sich die Filmcrew zwischendurch auf dem aus dem 16. Jahrhundert stammenden Tennisplatz entspannte, ist ungewiss.

Gewiss ist für Mac aber, dass er „sein kleines Schottland“ sauber präsentieren möchte. Bei jedem Stopp nutzt er die Gelegenheit und flitzt mit Müllsack und Greifzange umher, um Kippen, Papier und Plastik aufzusammeln.

Die nächste Station ist das Highland Folk Museum in Newtonmore. Auf dem Weg in die Grampian Mountains ändert sich das Wetter. Die Wolken hängen tief über den Bäumen, Sprühregen und Nebelfetzen ziehen vorbei. Schottlands Mystik erwacht.

Am Ende wartet ein ganzes Dorf aus dem 17. Jahrhundert. Rauch wabert durch manches Dach, im kleinen Teich schwimmen Enten, Steinmauern schließen einen Gemüsegarten ein. Wer längere Zeit in einem der Räume einer Weberin bei ihrer Arbeit zusieht, bekommt eine Ahnung davon, wie hart die Lebensbedingungen damals waren. Derartige Authentizität bot ideale Voraussetzungen, um dieses Leben mit der Kamera einzufangen. Das Filmteam blieb einen Monat.

Unsere Reise endet dort, wo Outlander begann. 1945 holen die junge Militär-Krankenschwester Claire und ihr Mann Frank Randall nach den traumatischen Zeiten des Zweiten Weltkriegs in Inverness ihre Flitterwochen nach. Ausflüge in die Landschaft führen sie auch zu historischen Schauplätzen wie dem Schlachtfeld von Culloden.

Ein multimediales Visitor Center macht dort heute klar: Am 16. April 1746 standen sich auf dem Culloden Moor aufständische Jakobiten und englische Regierungstruppen gegenüber.  Nach knapp einer Stunde waren 1500 schottische Soldaten und 300 Regierungssoldaten tot. Die Schlacht stellte einen Wendepunkt in der Geschichte Schottlands dar. Es war der letzte Versuch der Stuarts, ihren Anspruch auf den Thron durchzusetzen. Die Niederlage führte aber auch zum Untergang der traditionellen schottischen Kultur, das Gälische, der Kilt und der Whisky wurden zeitweise verboten. Die Eingliederung des vordem selbstständigen Landes in ein englisch dominiertes Großbritannien war besiegelt.

Von Culloden ist es nicht weit bis zu den Clava Cairns, einigen kreisförmig aufgestellte Megalithen. Von einem derartigen Ort war auch Claire fasziniert. Als sie einen dieser Steinkreise allein besucht und ein Monument berührt, tritt sie ihre Reise in die Vergangenheit an.

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Wir bleiben in der Gegenwart. Fast schüchtern setzt sich Mac ans Ufer von Lough Ness. Kein Ungeheuer weit und breit. Nur eine Entenmutter gründelt mit ihren Jungen am Ufer. Mac packt einen kleinen Dudelsack aus, einen für sanfte Melodien. Bei seinem Spiel wandern die Blicke gedankenverloren über den See in die Ferne, vielleicht ja doch hinüber in eine andere Zeit, in ein anderes Leben.

Dirk Wegner, September 2018


MAP

 

Nützliches

  • Durch die Highlands auf den Spuren von Jamie und Claire. Diese Reise durch verwunschene Täler und an geheimnisvolle Lochs bietet die British Travel Company an.

  • "Burning the Claire and Jamie Trail – An Outlander Themed 7 Day Tour" steht auch bei rabbie's im Programm.

  • Wer in Edinburgh ein Abendessen in besonderer Atmosphäre erleben möchte, sollte im Witchery einen Tisch reservieren.

  • Und: Wer verstehen will, wodurch sich die britische und europäische Geschichte am 16. April 1746 einschneidend veränderte, sollte das Culloden Visitor Centre in der Nähe von Inverness besuchen. Eine multimediale Aufbereitung zeigt die Hintergründe, den Verlauf und die Folgen der Schlacht zwischen englischen Regierungstruppen und aufständischen Jakobiten.

  • Eine kleine geschichtliche Zeitreise lässt sich im Highland Folk Museum in Newtonmore erleben.

  • Die "Outlander"-Serie verpasst? Die komplette erste Staffel gibt es im iTunes store.


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