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wo winzer verwöhnen

Der badische Weinwanderweg "Wiiwegli"

In der Sprache des Weins lässt sich das Wort „gut“ auf besondere Weise steigern: „Gutedel“ heißt die Traube, die im Markgräflerland zwischen Freiburg und Basel geschätzt wird. Markgraf Karl-Friedrich brachte sie 1780 vom Genfer See nach Baden. Heute haben die Winzer überall dort, wo der südliche Schwarzwald zum Rhein hin abbricht, die Steilhänge mit Reben bestockt und auf fast der Hälfte der Anbaufläche wächst die Gutedel-Traube. Durch diese wärmste Region Deutschlands schlängelt sich über 77 Kilometer das Markgräfler Wiiwegli, ein Wanderweg, der über vier Etappen durch Rebberge, zu Weingütern und in heimelige Dörfer führt. Schauen wir uns das Wiiwegli auf dem Abschnitt von Müllheim nach Staufen etwas genauer an, landschaftlich und kulturell eine besonders reizvoller Strecke. Es ist eine Tageswanderung von etwa 19 Kilometern, in fünf Stunden bequem zu bewältigen. Eine rote Raute mit einer gelben Traube zeigt den Weg.

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Er sei „Winzer von Geburt“, vertraut uns Hans-Werner Ottlin bei einem Rundgang durch Müllheim an. Dass die Weingeschichte weiter zurück reicht, ist im Stadtpark am Bronzedenkmal Adolph Blankenhorns abzulesen, der 1874 Präsident des neu gegründeten Deutschen Weinbauverbandes wurde. Sonst spielte die Stadt während der Badischen Revolution für kurze Zeit eine wichtige Rolle. Im September 1848 rief Revolutionsführer Gustav Struve vom Balkon des Gasthauses "Stadthaus" am Marktplatz die deutsche Republik aus. Doch heute leuchtet nur das Geländer still in der Mittagssonne. Gleich um die Ecke lässt sich am Wasserlauf des Klemmbachs auf dem Mühlenweg noch etwas von der Geschichte des mittelalterlichen Mühlenstandortes mitnehmen.

Der erste Wegabschnitt führt dann gemächlich hinauf auf den Römerberg bei Badenweiler. Vom Pavillion aus schweift der Blick an Rebstöcken vorbei hinüber zur Ruine der Burg von Badenweiler und weiter zu den Vogesen. In dieser Ebene des Oberrheins bilden Frankreich, Deutschland und die Schweiz einen länderübergreifenden Lebensraum. Auch deutet sich schon an: Der Wechsel von der Rheinebene in den Schwarzwald ist nirgends eindrucksvoller als auf dem Weg von Müllheim nach Staufen. Er führt immer auf der Kante des Grabenbruchs entlang, dort , wo vor einigen Jahrmillionen der Rheingraben abgerutscht ist. „In der Mitte dieses Abbruchs entstand dann die Vulkanlandschaft des Kaiserstuhls“, erklärt Forstwissenschaftler Thomas Coch.

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Etwas versteckt in einer Senke liegt das Winzerdorf Britzingen mit seiner mächtigen St. Johannes Kirche. Bunte Bauerngärten warten am Weiler Muggardt, bevor es zwischen Wald und Weinbergen weiter nach Sulzburg geht. Nicht sehr groß versprüht Sulzburg eher den Charme eines „Weltdörfchens“. Über Jahrhunderte war es einer der Mittelpunkte jüdischen Lebens am Oberrhein. Gleich neben dem Geburtshaus von Ernst Leitz steht die sehenswerte ottonische Kirche St. Cyriak. Vom Marktplatz aus geht es dann über das Postgässle an der alten Synagoge vorbei und über den Neubergweg zum Castellberg. „Der ragte früher mal als Kalkkreidefelsen aus einem Meer“, erklärt Coch. Heute ist es ein Ozean aus Trauben, der sich über diese Südlage erstreckt, vor allem Gutedel. „Der Hauswein des Markgrafen wurde erstmals 1784 an diesem Weinberg gepflanzt.“ Steile Treppen führen den Hang hinab. Auch für den Qualitätsanspruch sei hier nur die Handlese möglich, so Coch. Aber es sei immer schwieriger Erntehelfer zu finden.

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Seit 800 Jahren werde in der Region Wein angebaut, was urkundlich belegt sei. Doch seit zwei, drei Jahren zeige sich auch eine Kehrseite der Globalisierung. Da in dem sonnigen Klima viele Früchte gedeihen, hätte sich die asiatische Fruchtfliege auch in den Weingebieten stark vermehrt. Befallene Trauben würden rasch verderben.

Bei einer Weinprobe auf dem Weingut Köpfer in Grunern sieht man derartige Probleme ganz pragmatisch. „Schon die alten Pharaonen haben ihren Kummer in Gutedel ertränkt“, erzählt Gerd Köpfer, mit 89 Jahren der Senior des Betriebs. Hier hat man sich auf Bioweine spezialisiert. Ökologischer Weinbau sei einfach zu erkennen, so Köpfer. Dort sei das Gras unter der Rebe noch grün, sonst eher braun oder gelb, abgestorben durch gegen Mehltau gespritzte Pestizide. Und noch etwas gibt Töpfer mit auf den Weg: „Wir haben es lieber, wenn erst Mitte Oktober bis November Weinlese ist. Aber es geht schon früher los, wir merken die Klimaveränderungen.“

Mit einem Blick ins Münstertal und auf den Belchen geht es zum grandiosen Abschluß der Etappe in die Fauststadt Staufen. Hoch über den Weinbergen vor der Stadt thront die Burgruine Staufen, bevor es in den alten und farbenfrohen Kern des Zähringer-Städtchens geht, der unter Denkmalschutz steht. Am Ende dieser Tageswanderung schließt sich auch ein historischer Kreis. „Hier im Sitzungssaal des Rathauses von Staufen ging die badische Revolution jämmerlich zu Ende,“ erzählt Stadtführer Walter Meier. Doch auch die jüngere Geschichte hat in dem Ort sichtbare Spuren hinterlassen. Das renovierte Rathaus sollte durch Erdwärme beheizt werden. Mit den notwendigen geothermischen Bohrungen wurden 2007 tief liegende Gipsschichten durchstoßen, in die anschließend Grundwasser lief. Der Gips quoll auf und hob die Altstadt in sechs Jahren um 60 Zentimeter. Über 250 Häuser zeigten Risse, über 120 wurden stark beschädigt. Was gut gemeint war, stellt die Stadt heute vor große Probleme. „Staufen darf nicht zerbrechen“, heißt das Motto einer Stiftung zum Erhalt der historischen Altstadt. Sogar mit einer eigenen Staufenbriefmarke wird Geld gesammelt.

Ein ganz anderer Kampf mit den Elementen spielte sich in der Alchemie-Stube, Zimmer Nummer 5, im Gasthaus Löwen ab. Hier bezog vor knapp 500 Jahren der berühmteste Einwohner Staufens Quartier, der sagenumwobene Alchimist und Magier Johann Georg Faust. Nach einigen Gläsern Wein zog er sich zum Experimentieren in sein Zimmer zurück. Bei der Ausübung seinerschwarzen Kunst soll es dann zu einer Explosion gekommen sein, die Faust nicht überlebte. Dennoch war gleichzeitig jener Faust-Stoff geboren, der spätestens seit Goethe als Inbegriff des nach letzter Erkenntnis strebenden Menschen in die Weltliteratur einging. Ob ein Glas Gutedel an allem Schuld war, ist nicht überliefert.


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Nützliches

  • Wandern ohne Gepäck auf dem Markgräfler Wiiwegli von Weil am Rhein bis Freiburg im
    Breisgau; Online-Informationenbei Schwarzwald Tourismus GmbH